MINNESANG EINES SCHMIEDES
Das kleine Lied beschämt unsre Bücherweisheit. Entspränge es aber erlösterem Sinn und sprudelnder ohne das Sinnen?
Willst du über die Straßen ziehn ein fahrender Sänger vergiss das Schwert nicht desselben Geistes zwischen Hochöfen selbst gehämmert.
Aus Schmiedehitze kommend widerstehst du besser der Sommersonne und atmest mit größerem Dank unter freiem Himmel.
Ohne das Handwerk kein Ritterschlag und ohne die Waffe zur Rechten verstummt dein Minnesang ungehört unter Formelwortgeklirre - zerschlagen die Bücher wie Aktendeckel dein kleines Lied.
(1971)
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WORTE
Was helfen aber Worte? Wo finden sie wendige wenn es not tut? Was wenden in Not die gefundenen vielmehr zugefallenen frage ich mich.
Wohin mit dem Überfluss des Gesagten und wieder des Ungesagten?
Wenigstens Hilferufe gegen plötzliches Überfluten sage ich mir
und dir.
(1971)
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SUMMA
Antworten wo gefragt aufhören wo gerufen
Öfters nach Fragen nachfragen manchmal rufen nach Anruf und
Wieder auf Antwort hinschweigen warten auf Anspruch verantwortlich Antwort suchen
ist alles: sich verantworten - alles Weitere ist Willkür ist weiteres Übel.
(1973)
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AUF DEN SCHIENEN
Auf Schienen zwischen den Städten Frankfurt – Paris wo ich lebe zur Zeit auf den Schienen pflücke ich Blumen für dich einen Strauß frischer Gedanken.
Das vom Erleben Geschnittene welkt bis zu dem anderen Bahnhof. Was zu sagen ist fällt durch die Gitter die Asche von Lebendem fällt durch die Tageslichtwelt.
Bekanntlich muss man schweigen worüber man nicht sprechen kann. Es sei denn du kommst mir entgegen mit deinen Ohren mit deinen Augen und frischem Wasser.
(1977)
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DIALOG KIERKEGAARD-HEGEL (oder Dialektik der Endlichkeit)
Entweder oder. Sowohl als auch.
Entweder sowohl als auch – oder entweder oder. Sowohl entweder oder als auch sowohl als auch.
Entweder sowohl entweder oder als auch sowohl als auch - oder entweder sowohl als auch als auch oder entweder oder. Sowohl entweder sowohl als auch oder entweder oder - als auch sowohl entweder oder als auch sowohl als auch.
Entweder sowohl als auch – oder sowohl als auch. Sowohl entweder oder – als auch entweder oder.
(1979)
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HOFFNUNG
Hoffnung ist Wohnung im Vorlaufen: Jetztschon im Nochnicht Geborgenheit im Unterwegssein Häuslichkeit von Nomaden.
Ihre Worte: das Zelt das wir abendlich aufschlagen unter offenem Himmel.
(1979)
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EROTIK DER SPRACHTHEORIE
Die Wortarten werden Geschwister und sichtbar wird im Wunderbauwerk Sprache aller Erscheinungen inzestuöse Bluts- und Geistesverwandtschaft. Am prickelndsten aber spielen die Tropen in glanzvollen Obergeschossen mit tausend Masken Spiegeln Gleichnissen Rhythmen tanzen erotisch nächtlich enthüllt wie Gott sie geschaffen treiben von Reflexionsscham enthemmt die steilsten Wendungen Stellungen unser aller täglichen Sprache lustvoll im Halbdunkel stöhnend im Dunkel des Unbewussten. O Lust des versteckten Beobachters o dauergeile Schaulust der Theoria.
(1980/2012)
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IM SCHWALBENNEST
Unser stundenlanges Reden und Singen – wovon eigentlich? Wovon eigentlich zwitschern die Schwalben?
Ihr Freiheitsspiel mitsammen in Klarheit Duft Weite lustig über dem Bodenbereich der Wölfe und Burgen...
Eine Rast stärkend für die unterwegs unterwegs immer nach Hause Zugvogelrast im Schwalbennest.
(1980)
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RELECTURE
Relecture von Texten mit deinen Augen. Ich nannte ihn Ich der sie schrieb.
Sie haben den Sinn und geben ihn her? Veraltet sind sie wie der Wein lange wird?
In Freiheit setzt du mich voraus: damals litt lebte liebte ich schon las die Trauben und kelterte lange vor dir und für dich.
Ein reicher Jahrgang sammelt die Sonne die Schatten von Jahren. Spätlese mischt sich frei mit den Erstlingsfrüchten.
(1980)
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STEIN DER WEISEN
Gern such ich den Stein der Weisen im Gleiten über die Schienen Allein ich bin zu dumm wie zu klug für euren Kies.
Ein bescheidenes Wort muss genügen. Ab und zu singt es sein Lied das Zigeunerkind
(1980)
Vertont von Robert Spatny (Potsdam 2007)
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CAPELLA SISTINA
Verwandte Klänge gesehen mit offenem Mund rücklings sich wiedergefunden im Staunen vor Menschheitsgeschichte in Michelangelos springendem Spiegel
im Freiheitswagnis einzeln und ganz wovor die Inspiration des Urgenies zu scherzen fast aufhört und selber zittert und auch nicht fertig wird darin endlich wie wir wie du oder ich.
(1981)
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AUF DIE FRAGEN DES WELTWEISEN
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Was kann ich wissen? Nichts - aber aus Gründen wohlstrukturiert.
Was soll ich tun? Wagen - Sinn macht es stets oder Unsinn.
Was darf ich hoffen? Alles - und ohne Gründe außer dem all-einen Wunder.
Was ist der Mensch? Du - mir schmerzhaft unbekannt aber göttlich.
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Folglich Lichter anzünden falsche Abgründe ausleuchten um die wahren zu ehren.
Folglich profilieren mein Freiheitswesen aber vor Gott mit den Mensch-Abgründen
Folglich Mut finden: Mut zu geben zum Handeln wie Leiden wenngleich unter Rätseln.
Folglich Güte proben mit Dir und zeugen in Lust viel Frieden.
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Bis zum irren Tanz der Wahrheit "dem bacchantischen Taumel an dem kein Glied nicht trunken ist" wie ein anderer Weltweiser meint.
(1984)
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FÜGUNG
Wie wählen wie wissen? Gewähltwerden entscheidet auch nicht allein.
Entscheidend wäre Fügen unseres Freiseins in Fügung hinein wenn dass es sie gibt sich fügt.
(1984)
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BEI ANKUNFT MEINER ENZYKLOPÄDIE
Wissen der Welt der Jahrhunderttausende unermessliche Tagundnachtaufregung in dreißig Bänden gebündelt wie Liebe und Schicksal in artigen Liedchen. Geträllert sei's und reingezogen was Menschheit wob und wog ins Regal die verdichteten Blutkonserven ledergebunden auf feinem Industriezeitpapyrus.
Wissen vom Wissen sprachsprengendes Staunen unergründliches Spiegelsein von allem und allen wie das Gesicht des Greisen im Glas wie irrsinnig immer noch suchend etwas wie Sinn der Sinne den Blick der versunkenen Augenblicke das Gefühl der Gefühle den unentwegten Ausweg der Menschenwege –
wie ein Knabe hältst du auf gleichmäßig ruhigen Seiten mit Zeichen von Zeichen von Fleiß über Fleiß Belehrung munter erwartend was war ist lohnt bleibt vom schon dir offenen Rätselspiel vom immer noch höheren Brausen der Pracht vom stets unerschöpfteren Wimmeln und Wimmern –
was bleibet aber und nicht nur gestiftet von Dichtern? Nimm und lies und folge blutvoll dem Fluss deiner Fragen.
(1985)
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TERRY
Als die Freundin dich brachte sprangst du mich freundlich an wie immer Vorschuss gebend so deinem neuen Zuhause. Ich meinte du müsstest gebürstet werden und dann begannen wir voneinander zu lernen.
Du lerntest von mir Stadtleben unter viel Artgenossen fremden Gerüchen Treppen Straßen Gefahren verschlangst alles Neue verwundert zu Vertrautem hurtig verwandelnd mit deiner spielenden Neugier nichts Lebendiges blieb dir fremd glückgierig harmoniebedacht gehorsam bis auf Ausnahmen: Vorbehalt für Freiheitsinstinkt und besondere Würde des Tieres.
Ich lernte von dir was Lebendigsein ist Antrieb Lust Blitzentscheidung die mühelose Bewegung Ausdruck in ganzer Körperlänge nicht nach Menschenart kokettierend einfach das seidenwollige zärtlichkeitssüchtige Fell.
Lernte wie Freundlichkeit aussieht zu jeglichem Mensch und Tier (bis auf Jagdwild und Aggressoren) von Enttäuschungen unverdrossen lernte wie Freude sichtbar wird schwanzwedelnd körpergesprächig zwischendurch Freuen aufs Freuen und wie jeder Spaziergang erregt.
Lernte wie selbstverständlich unter Lebendigen täglich Versöhnung Vergessen über ein bisschen Gaunern und Groll und wie selbst Knurren oft Liebesspiel ist.
Wir begannen einander zu lieben verlässlicher als zwischen Menschen. Morgens viertelnachsieben wartetest du mit dem unerschöpfbaren Freudentanz zum Tageserkundungslauf auf. Ich begrüßte weniger zögernd den Morgen weil deine frische Leidenschaft mitlief die medi-tierenden Stadtgartenrunden und reiste nicht mehr gern fort ohne unsere Freundin und dich ohne die liebe Menschtierfamilie in der es im Terry-Rhythmus pulsierte.
Ich lernte noch gestern von dir als unsre Lektionen dir schon geläufig als ein bisschen Ungehorsam dir angebracht schien als das Jagdfieber dich überfiel mitten zwischen dem untierisch eisernen Raubwild der Städte unbemerkt von der Freundin und mir bis du vor unseren Füßen lagst unter dem Tod statt Rettung bringenden Blaulicht das lebendigste Leben tot.
Aus der Trauer uns windend wollen wir immer noch mit dir lernen wie Leben weitergeht wie Liebsein sich zeigt dich verinnernd deiner gedenken wie du gern bei uns warst in der Jugend unsrer Gemeinschaft der ewigen Jagensgründe vielleicht nicht so vergessen wie wir.
(1985)
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UNTERHALTUNG MIT FEUER
Wir unterhalten das Feuer. Es unterhält uns bewegt wie Leben pur überraschungsreich.
Ungeahnte Wirkungen aus kaum ahnbaren Ursachen bedeutsam alles Gedankenflackern am erwärmenden Drama.
Verwandlung von Masse in Energie lange vor Einstein. Der Stein seinerseits rührt sich nicht sichtlich erinnernd andere Feuergewalten
aber erwärmen lässt er sich doch vom züngelnden Spiel vielleicht mit zum Staunen bewegen worüber auch immer wir du und ich und das Feuer uns sonst unterhalten.
(1989)
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AUF BARLACHS BETTLERIN
Für Otto und Ursula Schöpel
Ganz Erde werden um den Himmel zu fassen
ganz Schale sein und sie ist dir schon gefüllt
ganz annehmen deine Armut und aller Reichtum hüllt sich in ihren Mantel
ganz Demut geworden unter solche sich beugen die haben
und ob sie dir Brocken zum Leben hinwerfen oder nicht vor lauter Sehnen tauchen ins fließende Leben der Gottheit die ist.
(1990)
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TAROT-KARTEN
Gute Karten zieh dir für Wohnung und Wege aus den alten Zigeunerzeichen zieh dir das alltäglich nächtliche Sternenglück
Glück für die Kunst die Lebenskunst Freundesblumen und Blumenfreunde Frieden im Kampf mit Himmel und Erde mit dir
und du lernst durch die Jahre alle Karten sind anders gut
(1990)
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AUF UNSERE HÜNDIN SHAKTI
Neujahr vor vierzehn Jahren Da hattest du uns gefunden mit ganz entschiedenem Wohllaut mit unwiderstehlichem Ja. Nie mehr wolltest du von uns lassen bis heute nimmer und nie bei allem Wechsel bis wir dich heute lassen mussten in die sehr geheimen Jagdgründe über deinen erregten Träumen.
Quengel-Liese warst du zuletzt und Humpelstielzchen aber Zank-Liese immer aus ungezügelter Leidenschaft zwischen Ernst Scherz und Witz und Autofan sondergleichen. Bis du nichts mehr beißen konntest außer vor Schmerz deinen besten Freund vor Wut dass er dich nicht zu schützen wusste vor dieser Schwangerschaft mit dem Tod.
Aber hübsch bis zuletzt mit deinen Kölner-Dom-Öhrchen die allen zeigten was volles Aufmerken ist bis zur betäubenden Spritze bis zum Erliegen. Du schütztest unser Zusammensein genau vom Tag an deiner Geburt. Wer schützt es von heute an mit solcher unverbrüchlichen tierischen Liebe?
(2010)
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